Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Mitbegründer der Künstlergemeinschaft »Brücke«, zählt heute zu den bekanntesten deutschen Expressionisten; sein einzigartiges Werk umfasst mehr als 30.000 Arbeiten. Das Kunstmuseum Ravensburg präsentiert eine Einzelausstellung, die Kirchners fantastische Figuren anhand ausgewählter Gemälde, Papierarbeiten und Fotografien in den Fokus rückt.
In ihnen spiegeln sich nicht nur alle Perioden seines Œuvres, sondern
sie stehen auch stellvertretend für seine Formensprache, Stilbildung und
künstlerische Entwicklung. Obwohl Kirchner ein meisterhafter
Landschaftsmaler war, bildet die menschliche Gestalt doch immer das
Zentrum seines Schaffens. Mit schnellem Strich gelingt es ihm,
spielerisch Moment und Bewegung einzufangen. Aber erst nach einer
schweren Nervenerkrankung und dem langwierigen Heilungsprozess nehmen
die Figuren eine eigenständige Bedeutungsebene an. Während dieser Zeit
rang und kämpfte Kirchner immer wieder mit seinem Selbstbild. Durch
Verzerren und Erhöhen seiner farbkräftigen Bilder setzte er den
expressiven Ausdruck als höchstes künstlerisches Gut vor eine
Beschönigung und szenische Inszenierung, wie diese während seiner Zeit
noch weit verbreitet waren. Die Ausstellung präsentiert auch Kirchners
finale künstlerische Entwicklung: In seinem bis jetzt selten gezeigten
Schweizer Spätwerk überträgt er die Alpenlandschaft in Porträts seiner
Zeitgenossen, erhöht das Fantastische seiner Bilder durch extreme
Farbigkeit und entwickelt eine neue konsequente Flächigkeit. In den
letzten Landschaftsbildern verschmelzen Fantasie und Realität zu
atemberaubenden Farbexplosionen. Die Ausstellung umfasst Werke aus der
Sammlung Selinka und Leihgaben vom Kirchner Museum Davos sowie vom
Museum Biberach und vom Lehmbruck Museum Duisburg. Die Ausstellung wurde
kuratiert von Katharina Beisiegel in Zusammenarbeit mit Ute Stuffer.