50 Jahre Schulterschluss in Zukunftsthema Energie

17.12.2015 | Gasversorgung Oberschwaben: Aufgaben haben sich gewandelt

 

Wie ein Spinnennetz ziehen sich heute die Rohre der Ferngasversorgung durch Deutschland. Dass die Region Oberschwaben-Bodensee früh und umfassend Zugang zu diesem Netz bekam, ist der Verdienst eines kommunalen Zusammenschlusses, des Zweckverbands Gasversorgung Oberschwaben (GVO). Dessen Gründungstag jährt sich am 1. Januar 2016 zum 50. Mal. „In den Anfangsjahren lag den Initiatoren zunächst die Vernetzung der Erzeugungskapazitäten innerhalb der Region am Herzen – Erdgas spielte nämlich Anfang der 1960er Jahre in Deutschland noch kaum eine Rolle“, erklärt Dr. Andreas Thiel-Böhm, Geschäftsleiter der GVO, den Grundgedanken des Zusammenschlusses. Denn damals erzeugten die Städte Friedrichshafen, Lindau und Ravensburg noch sogenanntes Stadtgas aus Kohle und später wurde in Ravensburg und Lindau Gas durch komplizierte Spaltprozesse aus Flüssiggas gewonnen. Zum Ausgleich der Kapazitäten, so die Gründungsidee des Zweckverbandes, sollten Gasleitungen zwischen den drei Kommunen verlegt werden.
 
Grenzen überwunden
Der Realisierung des interkommunalen Projekts zwischen Lindau, Friedrichshafen und Ravensburg stand zunächst eine Landesgrenze im Weg: Das Projekt konnte erst in Betrieb genommen werden, nachdem die bayerische Landesregierung den damals gültigen Staatsvertrag zur Regionalentwicklung geändert hatte und so die Zusammenarbeit mit den beiden baden-württembergischen Städten möglich wurde. Das war im Januar 1966. Die Oberbürgermeister der Kommunen Friedrichshafen, Lindau und Ravensburg unterzeichneten dann umgehend den Gesellschaftervertrag zur Gründung des Zweckverbandes Gasversorgung Oberschwaben kurz GVO. „Die GVO ist das Paradebeispiel einer weitsichtigen Regionalentwicklung über die Grenzen von Landkreisen, Ländern und Staaten hinweg“, ist sich Andreas Thiel-Böhm sicher. Hierfür war die Vernetzung der drei Städte einschließlich Bregenz und Weingarten ein wichtiger Schritt. Bregenz und Weingarten waren bereits vor der GVO-Gründung an das Stadtgasnetz von Lindau bzw. Ravensburg angebunden. Der Blick der GVO-Gründungsmitglieder richtete sich aber auch auf eine Entwicklung in den Niederlanden. Dort waren 1958 große Erdgasfelder entdeckt worden, den Anschluss an ein europäisches Erdgasnetz hatten sie von Beginn an im Visier.
 
Erdgas hält Einzug
Doch zunächst blieb man in der Region: Auch in Fronhofen und Pfullendorf spürten Experten Erdgasvorkommen auf, 1967 erfolgte der Anschluss der GVO an diese Ressourcen. Finanziert wurde die Leitung durch deren Betreiber, ein Konsortium von Explorationsunternehmen. In den Folgejahren stieg die Nachfrage nach dem gasförmigen Energieträger enorm. Inzwischen waren die städtischen Gaswerke aus Rentabilitätsgründen fast überall aus der Erzeugung ausgestiegen, Erdgas war wirtschaftlicher. 1976 gelang durch eine neue Leitung zwischen Bonlanden, im Landkreis Biberach und Weingarten der Anschluss an das europäische Erdgasnetz. Fortan strömte über den neuen 55 Kilometer langen Abschnitt der Hochdruckleitung Erdgas quer durch Deutschland bis an den Bodensee. „Das war entscheidend, auch für die wirtschaftliche Entwicklung der eher ländlichen Region Oberschwaben-Bodensee“, bewertet der Geschäftsleiter den damaligen Meilenstein aus der heutigen Sicht. Denn Erdgas gehört bis heute zu den effizientesten Energieträgern für Industrieprozesse und Wärmelieferung; über 20 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs wird aktuell durch Gas gedeckt. Doch immer noch gibt es Regionen ohne Zugriff auf das Ferngasnetz, und damit auch kein Erdgas in den dortigen Kommunen. Diese haben es bei der strukturellen Entwicklung oft schwerer – denn die Verfügbarkeit von Energie gilt seit jeher als wichtiger Standortfaktor; heute sind auch schnelle Datenleitungen entscheidend für die Ortswahl.
 
Beschaffung international
Die weltweite Nachfrage nach Erdgas steigt, laut einer Prognose der Internationalen Energieagentur von 2014 pro Jahr um etwa 2,7 Prozent. Vor allem in Schwellenländern wie China und Indien wächst der Bedarf kontinuierlich, gefolgt von den Ländern der Europäischen Union (EU). Bis zum Jahr 2030 wird ein Nachfragezuwachs von rund 30 Prozent erwartet. Aufgrund stagnierender oder rückläufiger Gasproduktion in den europäischen Ländern wird die Abhängigkeit der EU von Gasimporten ansteigen. Auch die zunehmende Internationalisierung der Gasbeschaffung erkannten die Verantwortlichen der GVO früh. Sie realisierten bereits im April 2003 den gemeinsamen Einkauf; dafür gründeten sie die GVO Gashandelsgesellschaft mbH. Beteiligt sind daran bis heute die Stadtwerke in Lindau, Bregenz und Konstanz sowie die Technischen Werke Schussental in Ravensburg und das Stadtwerk am See mit Sitz in Friedrichshafen. Als 2007 das erste Gas an der Leipziger Energiebörse gehandelt wurde, war die GVO Gashandelsgesellschaft mit dabei. Sie bündelt derzeit rund 25 Prozent der Beschaffungsmengen für die Tarifkunden der Gesellschafter. Durch deren professionelles Portfoliomanagement ergeben sich Kostenvorteile beim Einkauf. Davon profitieren auch die Endverbraucher. „Alle Anteilseigner der GVO und ihrer Gashandelsgesellschaft stehen heute auf dem liberalisierten Energiemarkt auch überregional im Wettbewerb“, erklärt Andreas Thiel-Böhm die Situation. Eine ähnliche Idee steckt auch hinter der Beteiligung einiger GVO-Partner an der Südwestdeutschen Stromhandels GmbH, über die als Dienstleister die Mengen für die Gasbeschaffung weiter gebündelt und so Marktvorteile genutzt werden. „Das belegt, dass die Verantwortlichen immer in großen Zusammenhängen gedacht haben und anderen ihrer Zeit voraus waren. Was in den 1960er Jahren die Regionalentwicklung war, ist heute die Globalisierung von Märkten“, hält der Geschäftsleiter fest. Auch wenn weder der Zweckverband GVO noch die GVO Gashandelsgesellschaft beim Endverbraucher in Erscheinung treten, leisten beide im Hintergrund wichtige Dienste für die Menschen in der Region. Dazu gehören auch die Gasspeicher, die der Zweckverband in Lindau und in Ravensburg als Kapazitätspuffer unterhält. Sie sichern die Versorgung in Zeiten hoher Nachfrage. Letztendlich könnte sogar das gesamte Leitungsnetz als Speicher dienen - für Gas, das in einem speziellen Verfahren aus Wind- und Sonnenstrom hergestellt wird. Damit könnte die Gas-Infrastruktur in nicht allzu ferner Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Energiezukunft leisten - als Speicher für erneuerbare Energien.

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