„Der Junge, der rennt‘‘ handelt von Umbruch, Chaos im Kopf eines
Mittzwanzigers, dem Nicht-Entscheiden-Können, der Rastlosigkeit und
dass auch gerade das Nichtankommen das Ziel sein kann.’’
Max Giesinger denkt, hinterfragt, bleibt nicht stehen, will weiter
kommen. Schon mit seinem ersten Album „Laufen lernen‘‘ hat er gezeigt,
dass in ihm ein Songwriter von hoher und eigenständiger Qualität steckt.
Aber es braucht eben seine Zeit, um zu finden, was das 'Eigene'
überhaupt ist. Gerade, wenn man einen Umweg genommen hat. Sicher war
seine Erfahrung, die er als Finalist bei „The Voice of Germany‘‘
sammelte, eine wichtige und wenn auch nur, „um herauszufinden, welchen
Weg in dieser Branche ich auf keinen Fall gehen möchte‘‘, wie er
nachdenklich berichtet. Nach der großen TV-Hysterie folgte nicht die
große Ernüchterung. Sondern vielmehr ein „Jetzt erst Recht‘‘-Gefühl. Mit
seinem Debüt- Album „Laufen lernen‘‘ setzte Max ganz auf die
postmoderne Version des DIY-Gedankens und finanzierte das Album via
Crowdfunding. Genau wie das Debüt trägt auch sein zweites Album einen
programmatischen Titel - „Der Junge, der rennt‘‘.
Denn Max Giesinger läuft gern weite Strecken, um zu einem Punkt zu
kommen, der ihn zufrieden stellt. Das war schon immer so, kaum dass er
das kleine Dorf Busenbach in der Nähe von Karlsruhe verlassen hatte, in
dem er aufwuchs. Nach dem Abi zog es ihn für ein halbes Jahr nach
Australien, wo er sich seinen Lebensunterhalt als Straßenmusiker
verdiente. Und es wird auch jetzt wieder unmittelbar klar, wenn er den
Weg zu den Songs seines zweiten Albums beschreibt: „Ich habe mich vor
einem Jahr hingesetzt und wieder angefangen, Lieder zu schreiben. Ich
hatte schon 15 neue Songs am Start, bis ich in einer Session mit einem
Kollegen 'Roulette' schrieb. Ich war total geflasht von dem Song und
wusste dann, in welche Richtung mein Album gehen soll, die restlichen
Songs verwarf ich wieder."
Es klingt erstaunlich, einfach so viele Songs zu entsorgen, doch wenn
man sich die nun vorliegenden anhört, versteht man warum. Manche der
erzählten Geschichten sind höchst persönlich, andere hat er aus seinem
Freundeskreis adaptiert und zu seinen eigenen gemacht.
Betrachten wir „80 Millionen‘‘: Da ist einer, der seinen Ursprung in einem kleinen Dorf hat, aber ständig unterwegs ist. Er erlebt dadurch nicht nur viel, sondern ihm wird ebenso die unfassbare Größe dieser Welt bewusst und wie häufig der Zufall, den viele auch als Schicksal beschreiben, entscheidend ist. „Always on the run‘‘ - diese Person ist in einer Achterbahn aus Rastlosigkeit und Gefühlen gefangen. Umso deutlicher stechen besondere Momente heraus, in denen man auf einmal ganz klar denken kann und dabei ganz ungeplant den richtigen Menschen findet: die eine Person, die einen glücklich macht, in dieser unfassbar großen Welt. Diese Tatsache feiert der Song „80 Millionen‘‘. Von einer anderen Variante der schönen Flucht erzählt „Ins Blaue‘‘ - ein Duett mit der Deutschen Künstlerin Elif - wo ein Paar ganz einfach mal für einen Tag dem Alltagsstress entfliehen möchte. All das entstand zu großen Zügen an der Ostsee, wo sich Max für zwei Wochen mit dem Produzenten Jens Schneider in einem Rentnerdorf einschloss, um fokussiert an dem Album zu arbeiten. Abgeschottet und kaum unter Menschen, war das Highlight des Tages, wenn der Hausmeister vorbei kam, um den Müll mitzunehmen.
Um aus seiner Komfortzone auszubrechen, verließ Max rund um die
Produktion der Platte auch seine süddeutsche Heimat und zog in den
Norden, nach Hamburg, wo er nun mitten auf der Reeperbahn wohnt, was das
Album ebenso geprägt hat. „Der Junge, der rennt‘‘ ist damit nicht
unbedingt das Album des An-, aber des Weiterkommens. Es ist damit eine
intime und intensive Momentaufnahme eines Künstlers, der bereits mit dem
zweiten Album sehr viel mehr über sich weiß und versteht, als viele
Kollegen, die auch beim vierten Album noch genau so klingen wie auf
ihrem Debüt. Man wird darauf einen Mittzwanziger entdecken, der mit
großer Freude seine gefundene künstlerische Stimme ausformuliert und in
Songs kleidet, die in ihrer dynamischen Vielschichtigkeit berühren,
mitreißen und auch mal für einen Moment nachdenklich stimmen. „Ich liebe
es, viel unterwegs zu sein und kann eigentlich auch nicht zu lang an
einem Ort bleiben‘‘, sagt Max Giesinger. Das Unterwegssein als
Leitmotiv, immer in Bewegung sein, bloß nicht stagnieren. Das ist genau
das, was Max Giesinger mit seinem zweiten Album getan hat.
MAX GIESINGER „Der Junge, der rennt‘‘
VÖ: 08. April 2016 (BMG)