Gedenktafel für politisch Verfolgte des NS-Regimes eingeweiht

30.06.2015 | Das ehrende Andenken erinnert an Ravensburger Kommunalpolitiker, die von den Nazis schikaniert und diskriminiert wurden.

 

Am 29. Juni 2015 hat Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp im Ravensburger Rathaus feierlich eine Gedenktafel für politisch Verfolgte des NS-Regimes ein. Viele Gäste waren bei der Einweihung dabei.

Aus der Rede des Oberbürgermeisters:

"Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 und erst recht nach der Reichstagswahl im März 1933 begannen die Nationalsozialisten mit dem Terror gegen ihre politischen Widersacher, nicht nur in Berlin oder Stuttgart, sondern in allen Städten des Reichs. In Ravensburg richtete sich der Terror gegen die im Gemeinderat engagierten Mitglieder der KPD, der SPD und des Zentrums sowie gegen die Parteivorsitzenden und die in den Parteivorständen engagieten Ravensburger. 


Bis zum Inkrafttreten des "Ermächtigungsgesetzes" vom 24. März 1933 und des "Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933 bestand der Ravensburger Gemeinderat aus 28 Stadträtinnen und Stadträten, die in freier Wahl vom 9.12.1828 und ergänzend in der Wahl vom 6.12.1931 gewählt worden waren. Sie waren in den Fraktionen Zentrum (10 Gemeinderäte), Christliche Nationale Arbeitnehmerschaft (4 Gemeinderäte, später zum Zentrum gewechselt), Sozialdemokraten (2 Gemeinderäte) und Kommunisten (1 Gemeinderat) organisiert. 2 weitere Stadträte waren für die NSDAP und 9 weitere für die rechts-nationalen Gruppierungen Nationale Wählervereinigung und Bürgerverein im Stadtrat vertreten.


Auf Grundlage des Ermächtigungs- und Gleichschaltungsgesetzes wurde der Gemeinderat nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 gleichgeschaltet. Das auf 20 Mandatsträger reduzierte Gremium bestand ab dem 16. April 1933 aus 9 Stadträten der NSDAP, einem Stadtrat der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, 9 Stadträten des Zentrums und 1 Stadtrat der SPD.


Am 17.5.1933 bat der im KZ Heuberg inhaftierte SPD-Stadtrat Heinrich Matthiesen um Entbindung von seiner Stadtratstätigkeit, im Herbst 1933 wurden alle Stadträte des Zentrums durch NSDAP-Nachrücker ersetzt. Damit war als Folge des Ermächtigungs- und Gleichschaltungsgesetzes ab Herbst 1933 der gesamte Gemeinderat mit NSDAP-Mitgliedern willkürlich besetzt, alle demokratischen Strukturen beseitigt worden.

Die von den Natonalsozialisten betriebene Schikanierung und Diskriminierung der politischen Gegner richtete sich insbesondere gegen elf in der KPD, der SPD und im Zentrum engagierte Ravensburger, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung in den Konzentrationslagern Heuberg und Kuhberg inhaftiert wurden.


Zunächst wurden ab dem 7. Mai kommunistische Funktionäre in "Schutzhaft" genommen, wie die Nationalsozialisten beschönigend die Inhaftierung politischer Gegner umschrieben. Darunter waren der KPD-Stadtrat Hermann Stotz sowie der Kreisvorsitzende der KPD Wilhelm Weigold, Hugo Jabs, Karl Paulke, Ernst Steinbach und Hans Schießl. Wenige Tage später verlegte man sie in das KZ Heuberg bei Stetten am Kalten Markt, wo die meisten unter widrigen Bedingungen bis zum Sommer festgehalten wurden. In den folgenden Wochen und Monaten kam es zu weiteren Verhaftungen von Gegnern des NS-Regimes. Im April wurde der kommunistische Funktionär Max Pfau, die beiden Sozialdemokraten Karl Beese und der Vorsitzende der SPD Ravensburg Heinricht Matthiesen, der parteilose Walter Sprinz und der Zentrumspolitker Anton Huber gefangengesetzt. Nach ihrer Entlassung Ende 1933 wurden die politisch Verfolgten vom NS-Regime überwacht, bedroht, erlitten berufliche Nachteile und Diskriminierung im Alltag. Mit der gewaltsamen Ausschaltung und Diskriminierung ihrer konsequentesten Gegner erreichten die NS-Machthaber tatsächlich ihr Ziel: Kaum mehr jemand wagte es, offen gegen das NS-Regime zu agitieren."

Auf Beschluss des Gemeinderats wird mit der Tafel den elf politisch verfolgten Ravensburger Kommunalpolitikern für ihren Mut und ihre politische Überzeugung ein ehrendes Angedenken geschaffen.

Der Text der Tafel lautet:

Aufgrund ihrer Überzeugung wurden die Ravensburger Kommunalpolitiker Karl Friedrich August Beese (SPD), Anton Josef Huber (Zentrum), Hugo Gustav Jabs (KPD), Heinrich Matthiesen (SPD), August Karl Paulke (KPD), Maximilian Pfau (KPD), Johann Schiessl (KPD), Walter Maria Sprinz (parteilos), Ernst Karl Steinbach (KPD), Hermann Stotz (KPD) und Wilhelm Hermann Weigold (KPD) 1933 von den NS-Machthabern in den Konzentrationslagern Heuberg und Kuhberg inhaftiert, diskriminiert und schikaniert.

Die beiden Stadträte Heinrich Matthiesen (SPD) und Hermann Stotz (KPD) sowie weitere demokratisch gewählte Stadträtinnen und Stadträte wurden zudem aufgrund des "Ermächtigungsgesetzes" vom 14. März 1933 und durch das "Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933 aus ihren Ämtern vertrieben und durch NSDAP-Mitglieder ersetzt.

Ravensburg, 2015

Diese Tafel gedenkt der diskriminierten Ravensburger Kommunalpolitiker in der NS-Zeit.
Diese Tafel gedenkt der diskriminierten Ravensburger Kommunalpolitiker in der NS-Zeit.

Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp dankte abschließend Stadtradt Wilfried Krauss für seine Initiative und seinen Antrag zur Anbringung der Tafel, Dr. Peter Eitel und Stadtarchivar Dr. Andreas Schmauder für die wissenschaftliche Grundlagenforschung und Bürgermeister Hans Georg Kraus, Dr. Franz Schwarzbauer und Dr. Andreas Schmauder für die Realisierung der Gedenktafel.

OB Dr. Daniel Rapp hat die Gedenktafel in Ravensburgs Rathaus eingweiht.
OB Dr. Daniel Rapp hat die Gedenktafel in Ravensburgs Rathaus eingweiht.

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