"Vor dem Online-Einkauf nachdenken"

Dunkle Schaufenster, geschlossene Geschäfte, eine leere Fußgängerzone – für viele, die ihren Einkaufsbummel durch die quicklebendige Ravensburger Innenstadt machen, ist dies unvorstellbar. Doch das ist nicht selbstverständlich. Denn die Konkurrenz aus dem Internet ist allgegenwärtig und macht dem örtlichen Handel deutschlandweit in vielen Innenstädten zu schaffen.

In Ravensburg will man es nicht soweit kommen lassen. Die Initiative Ravensburg, in der das Wirtschaftsforum Pro Ravensburg (WIFO) und die Stadt seit vielen Jahren gemeinsames Stadtmarketing betreiben, hat das Thema Online-Handel zum großen Stadtmarketing-Schwerpunktthema 2014 gemacht. "Es geht nicht darum, den Online-Handel insgesamt einfach zu verteufeln. So leicht kann man es sich nicht machen, denn attraktiv ist das Netzangebot durchaus", sagt die Stadtmarketingbeauftragte Anita Müller. In Ravensburg heißt deshalb die Lösung: "Wir wollen besser sein als der Mausklick-Einkauf, wir versprechen mehr Service und mehr Erlebnis - und das zu einem guten Preis. Genau darüber sollen die Kunden vor ihrer Kaufentscheidung nachdenken." Warum sollten die Kunden darüber nachdenken? "Wer fühlt sich schon in einer öden Innenstadt wohl?, wäre da die Gegenfrage", schreibt dazu die Stadt in ihrer Pressemitteilung.

In einem ersten Schritt hat das Projektteam Workshops durchgeführt, die sich mit inhaltlichen Schwerpunkten wie Personalschulungen, Serviceverbesserungen und Kundenansprache befassen. Mit der Hochschule Ravensburg-Weingarten wurden Wissenschaft und Forschung mit ins Boot geholt. Die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben steht begleitend und beratend zu Seite. Auch Stadtplaner und Stadtentwickler sind in den Prozess mit eingebunden. „Das Thema geht uns alle an“, so die Devise. Zielgruppe sind vor allem die Handeltreibenden – vom Tante-Emma-Laden bis hin zum Großfilialist. Der Prozess ist aber offen für jedermann. „Wir wollen gemeinsam prüfen, wo überall wir noch besser werden können“, so Anita Müller. Im Herbst sollen erste Workshop-Ergebnisse und ein entsprechendes Kommunikationskonzept vorgestellt werden.

„Ein Patentrezept gibt es leider nicht“, sagt Alfred Oswald, Leiter des Ravensburger Stadtmarketings. Vielmehr gehe es jetzt darum, Akteure und Kräfte zu bündeln, um gemeinsam die Einkaufs- und Aufenthaltsqualität in Ravensburg zu verbessern. So will die Stadt zum Beispiel für Bürger, Geschäftsleute und Touristen in der Altstadt ein öffentliches, kostenloses W-LAN einrichten. Parallel dazu wird der Handel seine Beratungs-, Service- und Kundenqualität kontinuierlich optimieren. Wichtig sei laut Oswald aber auch, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren und an die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen zu appellieren: „Wer statt im lokalen Handel lieber nur im Internet einkauft, muss sich darüber im Klaren sein, dass dies nachhaltige Folgen für unsere schöne Stadt haben kann“.

Auch in Ravensburg ist der stationäre Handel teils dramatisch rückläufig, während der Online-Handel kräftig wachse, berichtet WIFO-Geschäftsführer Eugen Müller. Nicht alle Branchen seien gleichermaßen von der Entwicklung betroffen, aber keine sei davor gefeit. „Wenn aber die kleinen, feinen Geschäfte verschwinden, verliert auch der Marktplatz Ravensburg viel von seiner Attraktivität“, warnt Müller und er ist überzeugt: „Das alles erkennen viele Menschen nicht, wenn sie bequem von zuhause aus am Computer einkaufen. Hier hilft nur Aufklärung, ohne den Online-Handel zu verteufeln.“ Aktionen wie beispielsweise „Buy local“, mit der Einzelhändler für die Vorzüge eines Einkaufs vor Ort werben, seien ein wichtiger Beitrag. „Einkaufen mit allen Sinnen – das ist im Internet nicht möglich“, betont Anita Müller. Diesen Vorteil des stationären Handels gelte es zu nutzen und vor allem breit zu kommunizieren. Schließlich seien es auch die Geschäfte vor Ort, die viele Arbeitsplätze schaffen und die durch ihr Sponsoring viele Veranstaltungen und Events in der Stadt mit tragen oder sogar erst möglich machen. Auch dies dürfe nicht vergessen werden.