Finanzgericht zu WGV-Streit: Gewerbesteuer zwischen Ravensburg und Stuttgart aufteilen

28.11.2014 | Argumente der Stadt Stuttgart werden zurückgewiesen: Ravensburg soll 55,2 Prozent des Steueraufkommens zustehen, 44,8 Prozent soll Stuttgart erhalten. Möglicherweise Antrag auf mündliche Verhandlung.

 

Im Rechtsstreit zwischen der Stadt Stuttgart und dem Finanzamt Ravensburg um die Aufteilung der Gewerbesteuer der Ravensburger WGV Holding AG hat das Finanzgericht Stuttgart ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, dass der Stadt Ravensburg 55,2 Prozent des Steueraufkommens zustehen sollen. 44,8 Prozent soll Stuttgart erhalten. Streitgegenstand in diesem Verfahren ist der Steuerbescheid für das Jahr 2008. Die WGV Holding AG und die Stadt Ravensburg hatten als Beigeladene an den Verhandlungen teilgenommen. Gegen den Bescheid des Gerichts kann Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden.

Die Stadt Stuttgart reklamierte in dem Prozess die gesamte Ravensburger Gewerbesteuer für sich mit der Begründung, dass die WGV ihren Konzernsitz in Stuttgart habe. Dies sah und sieht das zuständige Ravensburger Finanzamt anders, schließlich wies die Behörde seit der Betriebsansiedlung der WGV Holding AG in Ravensburg im Jahr 2004 die volle Gewerbesteuer hierher zu. Steuer- und Betriebsprüfungen hatten dieses amtliche Vorgehen außerdem mehrfach bestätigt. Nachdem auch die Einspruchsentscheidung zugunsten von Ravensburg ausfiel, klagte die Stadt Stuttgart gegen das Land Baden-Württemberg und forderte die komplette Gewerbesteuer des Jahres 2008 ein. Strittig sind jedoch insgesamt die Steuern aus dem Zeitraum seit dem Jahr 2004.

Gericht: WGV hat sich rechtmäßig verhalten
Das Gericht stellte in seiner Begründung zunächst fest, dass die vom WGV-Konzern gewählte Unternehmensstruktur den vom Gesetzgeber ausdrücklich angebotenen Modellen entspricht. Heißt: Der WGV Konzern hat die für seine Zwecke passende Konstruktion mit Betriebsstätten in Ravensburg und Stuttgart ausgewählt, und dies steht im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung.

Allerdings wendete das Gericht für den vorliegenden Fall eine besondere Vorschrift aus dem Gewerbesteuergesetz an. Grundsätzlich gilt die Regel, dass wenn ein Betrieb mehrere Betriebsstätten hat, die aufkommende Gewerbesteuer "zerlegt", also zwischen den Betriebsstätten verteilt wird. Diese Aufteilung richtet sich – vereinfacht gesagt – nach den Lohnsummen, die an den jeweiligen Betriebsstätten gezahlt werden. Da in Stuttgart kein Personal bei der WGV Holding AG beschäftigt ist und deshalb dort keine Löhne bezahlt werden, floss folgerichtig deren komplette Gewerbesteuer nach Ravensburg. Ein Großteil der Gewerbesteuer des Gesamtkonzerns der WGV fließt im Übrigen an die Stadt Stuttgart.

"Atypischer Fall": Gericht sucht neuen Verteilungsschlüssel
Das Gericht sah jedoch hinsichtlich der Gewerbesteuerzerlegung bei der WGV Holding AG Ravensburg einen "atypischen Fall" vorliegen und suchte deshalb nach einem neuen Verteilungsschlüssel. Es hat dazu in einer neuen, selbstständigen Berechnung die WGV-Vorstandsbezüge auf verschiedene Konzerngesellschaften fiktiv aufgeteilt und die Gewerbesteuer nach diesem Maßstab zerlegt. Danach würden 55,2 Prozent der Gewerbesteuer der WGV Holding AG im Jahr 2008 auf Ravensburg entfallen und 44,8 Prozent auf Stuttgart.

Antrag auf mündliche Verhandlung
Die beteiligten Parteien können, wenn sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, innerhalb von vier Wochen bei Gericht einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Dann gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen. Die Stadt Ravensburg und ihre Anwälte wollen nun den Gerichtsbescheid und seine Begründung sorgfältig prüfen. Sie sehen noch offene Fragen und erheblichen Klärungsbedarf. Mit einem Antrag auf mündliche Verhandlung durch einen oder mehrere Beteiligte ist zu rechnen. Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp hat noch am Donnerstag, 27. November 2014, mit einem Vertreter der Landesregierung über die möglichen Auswirkungen dieses Bescheides für die Stadt Ravensburg gesprochen. Rapp: "Auch wenn der kommunale Finanzausgleich die Belastung für die Stadt ganz erheblich mindern würde, können wir mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein", so der OB in einer ersten Stellungnahme.

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